Es war einmal… Gräfenberg und Weißenohe haben gemeinsam, wie so manche fränkische Gegend, eine sogenannte „hohe Brauereidichte“. Auf ca. 5.100 Einwohner gibt es hier fünf Brauereien – warum sollten nicht auch Wanderer und Gäste das flüssige Gold genießen, welches hier in der südlichen Fränkischen Schweiz besonders gut und würzig schmeckt? Und dabei Natur und fränkische Kultur erleben…
Im Jahr 2003 wird die verhältnismäßig hohe Zahl an kleinen und mittelständischen Brauereien in Gräfenberg und den umliegenden Ortsteilen erstmals ein Thema für den Tourismus in der Region.
Aus dem Arbeitskreis Image & Werbung des Gräfenberger Stadtrates kommt die Idee, die Stadt stärker mit dem Thema Bier und der einzigartigen Konstellation „Drei Brauereien in Frauenhand“ zu bewerben.
Viele Besucher kommen seit Jahrzehnten hierher, um die regionalen Produkte der privaten Familienbrauereien zu genießen. Immer mehr Gäste aus Nah und Fern bleiben auch über Nacht, um nach einem langen Wandertag abends die Biervielfalt verkosten zu können.
2000-2007 In Gräfenberg und dem Ortsteil Hohenschwärz schlummert eine Besonderheit, die erst auf den zweiten Blick ins Auge fällt. Mehrere Jahre liegt das Brauwesen in Gräfenberg in kundiger weiblicher Hand: beim Lindenbräu, in der Brauerei Friedmann und der Brauerei Hofmann handwerken die Frauen am Sudkessel.
Mit Irene Brehmer-Stockum, Sigi Friedmann und Elfriede Hofmann stehen drei Frauen in der Generationenfolge, beleben die fränkische Brauerei- und Biervielfalt und führen die Traditionsbetriebe erfolgreich weiter. Auf Initiative der Stadträtin Renate Krause eröffnen nun die Braumeisterinnen die traditionellen Kirchweihen in Gräfenberg und Hohenschwärz mit dem Bieranstich unter dem Motto: „Gerstensaft aus zarter Hand gibt’s bei uns im Frankenland.“
Man will aber mehr zu den Themen Biertradition und Brauhandwerk in der Region erreichen. So gibt es in den Jahren 2005 und 2006 mehrere Gespräche zwischen den drei Brauerinnen und Renate Krause, die den Vorschlag macht, einen Bierwanderweg für Gräfenberg zu entwickeln.
Verschiedene Ideen werden durchgespielt: Wo soll er verlaufen? Wer sollte mit einbezogen werden?
Es gibt viele offene Fragen. Das größte Hemmnis ist die fehlende professionelle Begleitung durch ein kompetentes Fachbüro...
Doch ein Wirt will mehr! Georg Kugler wird 2007 mit der Eröffnung des Thuisbrunner Elchbräu im historischen Gasthof Seitz der zweite männliche Kollege in der regionalen Brauszene.
Zwischenzeitlich hat Georg Kugler im Thuisbrunner Traditionswirtshaus Seitz die Nachfolge angetreten und belebt die Brautradition des Hauses neu (der Braubetrieb endete 1920) – eine Brauerei wird neu errichtet.
Der Ruf eines benachbarten Weißenoher Prinzen weckt schließlich die Bierregion aus dem Dornröschenschlaf: Urban Winkler von der Klosterbrauerei Weissenohe bringt die frohe Kunde von Gold und Silber für einen Brauereiwanderweg und so kommt im Jahr 2007 das Fass ins Rollen. Der Braumeister und Brauereibesitzer weiß von Fördermitteln des Vereins Bierland Oberfranken, die für ein Modellprojekt „Brauereiwanderweg“ in Oberfranken zu vergeben sind.Über Julia Endres vom Regionalentwicklungsbüro Landweg (damals regiopol) regt er die Aufnahme von Gesprächen mit den Brauereien im Umkreis an.
Die „Runde der fünf“ wird ins Leben gerufen - fünf Getränke an fünf Stationen sollt Ihr trinken, sonst wird das nix! Und da der Weg bergauf, bergab über den fränkischen Jura führt, ist auch schon der Name geboren: Fünf-Seidla-Steig! Es wird dann was, nämlich der Fünf-Seidla-Steig offiziell eröffnet. Am 27. September 2008 bringt die frisch getaufte „Gräfenberg“ die ersten Gäste zum Auftakt nach Weißenohe – das Bierwandern kann beginnen!
Die Besprechungen im Kreis der beteiligten Brauereien legen rasch die wichtigsten Eckpunkte fest: nur traditionelle fränkische Gasthäuser mit den angeschlossenen Brauereien sollten den neuen Brauereiwanderweg gründen und betreuen, der Name „Fünf-Seidla-Steig“ und ein Logo werden entwickelt und es werden sukzessive weitere Fördergeber und Marketingpartner akquiriert. Die Moderations- und Vernetzungsarbeit, Festlegung und Betreuung von Markierungsarbeiten, das Marketing sowie die Antragstellung und Abwicklung von Fördermitteln werden an Julia Endres übertragen. Außerdem werden Kontakte zum bis heute wichtigsten Partner geknüpft, zum Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) mit der DB Regio.
Das Vorhaben ist von Beginn an einerseits zur Förderung des Tourismus, aber vor allem auch zur Steigerung der Wirtschaftskraft in der Region angelegt; kleine, mittelständische Brauereien erhalten – nach Jahrzehnten des Brauereien-Sterbens in ganz Franken – praktisch eine Art Wirtschaftsförderung und die Kommunen ein touristisches Highlight. „Erlebnis“ ist hierfür ein entscheidendes Stichwort – die traditionsreiche Braukunst und Bierkultur sollen stärker erfahr- und erlebbar gemacht werden. Ein starker Partner in den ersten Jahren, der das Projekt mit viel Einsatz mitentwickelt, ist Roland Singer aus der Brausparte der Altstadtfreunde Gräfenberg. Er bringt seine Erfahrungen als engagierter Hobbybrauer und Gästebetreuer mit ein, unterstützt die Entwicklung eines Veranstaltungsprogramms und führt unzählige Gruppen durch Gräfenberg. Damit ist der Fünf-Seidla-Steig von Beginn an nicht einfach ein Themenweg für die südliche Fränkische Schweiz, sondern ein Regionalentwicklungsprojekt mit klaren Vorgaben und Zielen, die es zu erreichen gilt.
Die Eröffnung im September 2008 findet bei strahlendem Herbstwetter statt. Mit einer Zugtaufe begleitet von Sektempfang und Blasmusik am Gräfenberger Bahnhof startet der frisch getaufte Triebwagen Richtung Weißenohe. Dort wird der Fünf-Seidla-Steig von Dekanin Schürmann und Pfarrer Kuntze geweiht. Grußworte gibt es von Seiten des Gräfenberger Bürgermeisters, des Landrates, des Regierungspräsidenten und des 1. Vorsitzenden des Vereins Bierland Oberfranken. Mit dem Brauersegen wird die Hopfenranke durchtrennt und der Weg offiziell freigegeben. Die Ehrengäste werden zu einer Bierprobe in die Wirtsstube eingeladen, bevor Landrat Reinhardt Glauber die Gäste auf den ersten zwei Kilometern des Fünf-Seidla-Steigs bergauf Richtung Gräfenberg geleitet. Dort erhalten die Wanderer eine Führung zur Gräfenberger Braugeschichte im ehemaligen Kommunbrauhaus. Anschließend geht es zum zünftigen Ausklang im Biergarten-Stüberl des Bergschlösschens. Nach einer über einjährigen Planungszeit wird es so ein gelungener Auftakt für die Brauereien mit allen Förderern, Sponsoren und Helfern.

Mit dem Erfolg kommen über die nächsten Jahre zunächst auch die Schwierigkeiten: Lärm, Vandalismus und Müll geben manches Mal Anlass zu Beschwerden von anderen Gästen und Anwohnern. Die Braumeister und Wirte halten dagegen und entwickeln gemeinsam mit den Kommunen Strategien zum Umgang mit den Ärgernissen. So werden Müllsammler engagiert, vermehrt Mülleimer aufgestellt, per Tafeln, Flyer und Internet für bestimmte Verhaltensweisen eingetreten und ein Bewirtungskonzept aufgestellt. Verkleidete Gruppen und erkennbare Junggesellenabschiede werden daher am Fünf-Seidla-Steig nicht mehr bewirtet und seit 2015 werben die Fünf-Seidla-Steig-Regeln für ein natur- und sozialverträgliches Miteinander entlang der Strecke.
Den Kinderschuhen entwachsen…
Die Zusammenarbeit mit den Ortsgruppen des Fränkische Schweiz Vereins wird auf eine solide Basis gestellt; da der Verein mit der Markierungsarbeit für den Brauereiwanderweg ein hohes Maß an Mehraufwand hat, gibt es dafür eine gesonderte Vereinbarung. Ursprünglich ist für den Fünf-Seidla-Steig ein Jahresprogramm mit festen Terminen für Brauereiführungen, Verkostungen und besondere Bieranstiche vorgesehen – hier verlagert sich der Bedarf jedoch auf stärker individualisierte Angebote für einzelne Gruppen mit jeweils eigenen Anforderungen.
Der Fünf-Seidla-Steig etabliert sich seit seinem Bestehen als stark frequentiertes Ausflugsziel, Besuchermagnet und Wirtschaftsfaktor für die Brauereien (sowie zunehmend die Region). Das Interesse der Presse reicht bis ins Ausland und internationale Besuchergruppen – oft auch aus den Universitätsstädten – verbringen hier einen Tag in der Fränkischen Schweiz. So ist der Fünf-Seidla-Steig ein gelungenes Modellprojekt hinsichtlich des public private partnership-Gedankens und der Förderrichtlinien der Geldgeber.
Feste Feste Feiern, das gehört am Fünf-Seidla-Steig einfach dazu! Der jährliche musikalische Saisonauftakt zum Tag des Bieres im April, die Jubiläen und Sonderveranstaltungen laden zum Genießen und Wandern ein. Da steppt der Bär…und es kann schon mal eine fränkisch-afrikanische Fusion dabei zu hören sein.
Highlights der Saison
Ein Termin wird am Fünf-Seidla-Steig immer groß gefeiert: Zum Saisonauftakt in zeitlicher Nähe zum Tag des Bieres am 23. April gibt es jedes Jahr ein musikalisches Programm in den Biergärten und einen kostenlosen Biergartenshuttle für die Besucher. Im Jahr 2013 feierte der Fünf-Seidla-Steig bereits seinen 5. Geburtstag - mit einem Jubiläumskrug für alle Gäste und Fans. Ebenfalls 2013 gibt es eine ganz besondere Kooperation: die Afrika-Kulturtage finden zum zweiten Mal in der Region statt. Die Klosterbrauerei Weissenohe beteiligt sich mit dem interkulturellen Begegnungsprojekt „Zwischen Weizen und Dolo: Afrikanisches und fränkisches Brauwesen“ und so wird in den Biergärten entlang des Fünf-Seidla-Steigs fränkisch-afrikanisch musiziert, getanzt und ein frisch gebrautes Hirsebier verkostet.
2016 folgt ein weiteres Jubiläumsjahr: 500 Jahre Reinheitsgebot in Bayern wollen gebührend gefeiert werden. Zwei Wirte beteiligen sich an den Bierwochen der Tourismusregion Fränkische Schweiz mit bierhaltigen Gerichten auf der Speisekarte. Urban Winkler von der Klosterbrauerei kellert zusammen mit interessierten Gästen ein Holzfass aus einem historischen Bierkeller aus - wie 1516 - und lädt anschließend zur Verkostung im Hof der Brauerei.
Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer für die südliche Fränkische Schweiz! 2015: Fünf-Seidla-Steig goes registered. Was haben der Frankenweg, der Donau-Panoramaweg und der Fünf-Seidla-Steig nun gemeinsam? Es sind eingetragene, geschützte Marken mit dem kleinen ®! Drum prüfe, wer Begriff und Logo zu Werbezwecken nutzen will…
2015 lassen die fünf beteiligten Brauereien gemeinsam die Wort- und Wortbildmarke Fünf-Seidla-Steig als Marken beim Deutschen Patent- und Markenamt eintragen. Zu diesem Zeitpunkt kommt erstmals der Gedanke auf, dass es einen Missbrauch des Namens geben könnte. In der Folge wird 2016 zum Jahr der Rechtsfragen und Aufklärung in der Region zum Thema Markenrecht und -schutz für den Fünf-Seidla-Steig.
Als Inhaber sind die fünf Brauereien verpflichtet, für den Schutz der Marken einzutreten und bei einer Nutzung durch andere Betriebe und Personen für eine vertragliche Regelung zu sorgen. Was zwischen öffentlichen Institutionen bei marken-rechtlich geschützten Wanderwegen eher locker gesehen und gehandhabt werden kann, muss zwischen gewerblichen Partnern geregelt und vereinbart werden. Damit ist der Fünf-Seidla-Steig als Projekt in der Kategorie Wanderweg, getragen von fünf Gewerbebetrieben, nicht nur in der engeren Region eine wirkliche Ausnahmeerscheinung.
2018 – Prost und happy Birthday! Der Fünf-Seidla-Steig feiert sein 10-jähriges Jubiläum und wir freuen uns auf die nächste Dekade!


Text: Renate Krause, Julia Endres, Fünf-Seidla-Steig-Brauereien